von Constanze Cremer
KÖLN. (hpd) Hamed Abdel-Samad referierte am 6. Juni 2012 in Köln über „Islam und Menschenrechte“. An kritischen Stellen seines Vortrags nahm er gleich selbst die Rolle eines Salafisten sowie eines liberalen muslimischen Intellektuellen ein. Religion sieht er als einen der größten Menschheitsfehler und verglich sie, anschaulich wie immer, mit Pizza.
Die gbs Köln hatte, nach Jahren der Veranstaltungen mit nur trauriger Resonanz – die Presse im traditionellen „hillije Kölle“ (heiligen Köln) ist Gottlosen leider nicht im geringsten gewogen -, ein Experiment gewagt: Um doch endlich einmal in öffentlichen Medien Erwähnung zu finden und wenigstens ein einziges Mal zu sehen, wie es ist, bei einer mit Herzblut, viel Zeit und Arbeit vorbereiteten Veranstaltung gefüllte Sitzreihen zu erleben, ließ sie – ein spontaner und überaus großzügigen Sponsor machte es möglich – ca. 100 DIN A1-Plakate an S-Bahnhöfen und Litfaßsäulen aufhängen.
Die Resonanz in der Presse blieb jedoch auch dieses Mal aus, obwohl sie von verschiedener Seite aus mehrfach kontaktiert wurde: auch der Droemer Knaur-Verlag hatte eine Presseerklärung an sehr viele Presse-Institutionen und dort tätige Persönlichkeiten versandt.
Der Veranstaltungsraum jedoch, mit seinen 80 Sitzplätzen, war bis zum Bersten gefüllt, da fast noch einmal so viele Zuschauer stehend Vortrag und Diskussion anhörten, oder bei geöffneter Tür im Flur auf dem Boden sitzend verfolgten. (Wie viele vielleicht, die Überfüllung gewahr nehmend, sofort wieder umgekehrt sind oder den „Ausverkauft“-Hinweisen direkt folgend gar nicht in unserer Zählung einbezogen werden konnten, bleibt naturgemäß offen. Die Auswertung ergab, dass tatsächlich der Löwenanteil durch die Plakate auf die Veranstaltung aufmerksam gemacht worden war.)
Hamed Abdel-Samad, Politologe und bekannter Autor, hat im Laufe seines noch relativ kurzen Lebens schon praktisch alle Varianten des Moslem-Daseins durchlaufen: Aufgewachsen bei Kairo als Sohn eines Imams zunächst ein „Durchschnitts-Moslem“ ägyptischer Prägung, später radikalisiert als Mitglied bei den Muslimbrüdern, schwenkte er schließlich um in Richtung Vernunft, da er anfing, selbst zu denken. Mit seiner hohen Intelligenz schaffte er sich Verständnis für die richtige Kategorisierung von Freiheit, so dass er dem gebildeten westlichen Durchschnitts-Bürger tatsächlich durch punktgenaue Benennung dessen eigener Werte so manches „Aha-Erlebnis“ bescheren kann: Wichtige und entscheidende „Aha-Erlebnisse“, die man der gesamten Politiker-Kaste dieses Landes inniglich wünscht…
Abdel-Samad wurde im Namen der gbs Köln vom Psychologen Frank Hichert begrüßt, der in dem Zusammenhang thematisierte, dass die Lobby der Religiösen reich und einflussreich ist, besonders den radikalen Moslems stünden sprudelnde Ölquellen zur Verfügung, so dass es für sie ein Leichtes sei, Politiker für sich zu gewinnen (um nicht direkt zu sagen: zu kaufen). Die Säkularen, denen diese Möglichkeiten nicht zur Verfügung stehen, sollten versuchen, Einfluss über z.B. eine hohe Zahl von Abonnenten für den gbs-Newsletter zu nehmen, so dass die gbs mit mehr Gewicht auftreten könne.
Hamed Abdel-Samad begann seinen Vortrag mit der Bemerkung, dass es eigentlich unfair sei, dass er allein über das Thema referiere, denn prinzipiell müssten auch ein Salafist und ein liberaler muslimischer Intellektueller mit dabei sein, um die Debatte fair zu machen. Zum Ausgleich dessen versetzte er sich daher an den einschlägigen Stellen des Vortrags jeweils in die Rolle dieser Gegenparts.
Scharia
Allem voran stellte er die Feststellung, dass es der größte Fehler vieler, auch gemäßigter, Muslime sei, sich nicht zuerst als individueller Mensch wahrgenommen sehen zu wollen, sondern in erster Linie als Muslim – weil sie auf die Propaganda der Islamverbände, die dies forderten, hereinfielen.
Diese Verbände, die künstlich initiiert worden waren, um dem Staat als Gesprächspartner zu dienen, repräsentierten zwar nur einen Bruchteil der Muslime in Deutschland, sprächen aber für alle und übten indirekt Einfluss auf das Justiz-System aus. In England sei es bereits gelebte Realität: mit Hilfe der christlichen Kirchen sei dort die Einrichtung von Scharia-Gerichten durchgesetzt worden. Deren Befürworter behaupteten immer, die Scharia stünde nicht im Widerspruch zum Grundgesetz. Aber, so die Frage von Abdel-Samad, warum muss man die Scharia-Gerichte dann extra einführen, wenn es doch keinen Widerspruch gibt?
Das Problem sei, dass es für „die Scharia“ viele verschiedene Schulen und Interpretationen gebe, sie also kein klar definiertes Recht sei, nicht einfach in einem Buch nachzulesen – gäbe es dieses Buch, so könne man es in fünf Minuten argumentativ vernichten.
Damals habe der Koran sehr kreative Antworten auf die Fragen der Zeit von vor 14 Jahrhunderten gegeben. Aber leider seien diese nie „upgedatet“ worden. – Auf Gebieten außerhalb der Religion sei dies selbstverständlich: Kein Kapitän z.B. würde heute mit einer Weltkarte aus dem 7. Jh. in See stechen. Das Pendant zu einer heutigen aktuellen See-Karte, seien, um im Bild zu bleiben, die Menschenrechte.
In die Rolle des Salafisten schlüpfend stellte er fest: „Die Scharia ist eine umfassende Utopie und eine Anleitung von Gott direkt. Der Mensch ist eben schwach und verfügt nicht über sich selbst, er ist nicht in der Lage, Entscheidungen selbst zu treffen und aus Fehlern zu lernen. Er ist wie ein Auto, und Gott der Ingenieur, der es entworfen hat. Wenn man es bedienen will, muss man den Ingenieur fragen, wie es funktioniert. Der Mensch muss vor sich selbst gerettet werden. Daher muss der Staat die Tugenden durchsetzen, so dass es keine nennenswerte Grenze zwischen Moral und Gesetzen gibt. Die Scharia ist keine Verhandlungssache, und langfristig ist es daher auch Ziel, dass sie in jeder Gesellschaft gilt.“
Dieser Allgemeingültigkeitsanspruch für die ganze Welt sei, so Abdel-Samad, das Problem der islamischen Gesetzgebung.
Im Judentum galt ein Dekret, das die jüdischen Gesetze in der Fremde relativierte, wonach das Gesetz immer das Gesetz des Herrschers war. Nur im privaten Bereich seien die jüdischen Gebote einzuhalten gewesen.
Bei Christen sei es so ähnlich gewesen, bevor das Christentum Staatsreligion wurde.
Den Grund hierfür sieht Abdel-Samad darin, dass die Juden in der Diaspora immer in der Minderheit waren, und Jesus nie politische Verantwortung hatte, also einfach sagen konnte: Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, usw…
Mohammed hingegen war als Herrscher verantwortlich, also gleichzeitig Gesetzgeber, Feldherr, Richter usw. So gab er Regeln vor.
In Medina hatte er gesehen, wie Juden lebten, und ihre Lebensweise zunächst als Vorbild genommen. „Halacha“ heißt auf Jüdisch „der Weg“, und bezeichnet das jüdische Recht. Folglich nannte Mohammed seine Vorschriften „Scharia“: arabisch „der Weg“. Die ersten Regeln wurden schlicht von den jüdischen kopiert. Etwa anfangs das Gebet in Richtung Jerusalem, das Verhalten der Frau, wenn sie ihre Tage hat, das des Mannes ihr gegenüber während dieser Zeit, die Reinigungsrituale, das Schweinefleisch-Verbot, etc.
Mohammed verkündete einen Monotheismus, und hatte daher erwartet, dass Juden und Christen als Erste diesen Glauben annehmen würden. Jene distanzierten sich aber wider Erwarten. Als Reaktion darauf entwickelte Mohammed seinen bekannten Hass auf die Anhänger dieser beiden Glaubensrichtungen und führte von da an abweichende eigene Gesetze ein.
Falsch sei es, immer spontan nur an den Islam zu denken, wenn es um demokratie- und menschenrechtsfeindliche Religionen gehe, denn alle großen monotheistischen Religionen würden sich im entscheidenden menschenfeindlichen Punkt kaum voneinander unterscheiden:
Sie alle sprächen dem Menschen das Recht ab, Herr über sich selbst zu sein!
Religion sei einer der größten Menschheitsfehler. Damals seien sie auf archaischer Basis, die nur mit den Bedürfnissen und der Begrenztheit der Menschen damals zu tun hatten, geschaffen worden, seien nie korrigiert worden – und jetzt hätten sie den „Alters-Bonus“…
Und sie erhöben leider den Anspruch, sich überall einzumischen, auch in Bereiche des Lebens, die mit Religion eigentlich nichts zu tun haben und auch nicht haben sollten. Z.B. dachte er kürzlich beim Eurovision Song Contest, er sehe nicht richtig: Mittendrin flüsterte einem eine deutsche Pastorin etwas von Gott und Liebe ein – wünschte dann aber nur dem deutschem Kandidaten Glück…
Religion solle jedoch aus dem öffentlichem Raum verbannt werden, also: in Gesetzgebung und Politik keine Rolle spielen. Religion könne Angebote machen, und wer wolle, könne sie annehmen…
Religion sei wie Pizza. Man kann ohne sie leben: „Wenn ich Pizza will, gehe ich zum Italiener, oder lasse sie mir bringen. Aber sonst will ich mit Pizza in Ruhe gelassen werden! Ich will keine Pizza in der Schule auf dem Pult liegen haben, ich will sie nicht auf dem Sozialamt aufgedrängt bekommen, ich will keine bei einer Abtreibungs-Entscheidung, will keine im Krankenhaus…! Werbung für Pizza ist natürlich okay. Aber nicht mit staatlicher Unterstützung! Der Staat kann nicht einfach nur Pizza-Sorten unterstützen, die alte Legenden haben, die damals nur niemand in Frage gestellt hat!“
Säkularisierung hieße, alle Religionen als Interessengruppen zu sehen, und sie alle gleich zu behandeln.
Kinder würden aber leider mit staatlicher Unterstützung mit Glaubenswahrheiten bombardiert, bevor sie lernten, zu denken. Und ständig höre er Gruselgeschichten, wie isoliert Kinder seien, die nicht zum Religionsunterricht gingen.
Warum die christlichen religiösen Gemeinschaften so scharf drauf seien, dass der Islam institutionalisiert werde? Sie wüssten, dass es die Gegenströmung gibt, die versucht, den Einfluss der Religionen zu verringern.
Islamkritik ohne Diskriminierung und Diffamierung sei unbedingt nötig. Viele verstünden aber diese Islamkritik reflexartig falsch als Abwertung von Menschen.
Arabischer Frühling
Alte Strukturen wurden aufgehoben, getragen vom Wunsch nach Freiheit, Menschenwürde und sozialer Gerechtigkeit. Warum geschah dies? Weil die Revolutionäre Moslems waren? Oder obwohl? Diese Frage sei, so Abdel-Samad, unerheblich, denn sie hätten es einfach nur als Menschen getan.
Jedoch dränge sich natürlich sofort die Frage auf, wie dies zusammenpasse mit den jüngsten Wahlergebnissen in Tunesien und Ägypten: Wollten diese Menschen letztlich doch nur eine Form der Bevormundung gegen eine andere austauschen? Oder hatte sich in ihren Köpfen doch zu nachhaltig das Mantra der Diktatoren festgesetzt, das da lautete: „Die einzige Alternative zu uns Diktatoren sind die Islamisten!“…?
Dieses Mantra, und dass Moslems eine Diktatur bräuchten, hatten die Diktatoren auch erfolgreich den Westen glauben gemacht: Mit der Folge, dass dieser, sie als „geringeres Übel“ ansehend, sie stets unterstützt hatte.
In diesen Diktaturen wurde durchgängig dafür gesorgt, dass die Islamisten sichtbar waren. Linken und Gemäßigten wurde der Zugang zu Medien verweigert. Die Islamisten hingegen durften Milliarden aus dem Ausland empfangen, um soziale Einrichtungen zu finanzieren: Die Muslimbrüder seien immer dort gewesen, wo der Staat gefehlt habe. Aus diesem Grund hätten die Menschen sie auch zunächst gewählt, da sie persönlich so gute Erfahrungen mit ihnen gemacht hatten. Mubarak hingegen stehe einfach für alles, was schlecht und korrupt sei.
Im Westen heule man wegen des Ergebnisses der letzten ägyptischen Präsidentschaftswahl auf – aber das revolutionäre Lager habe eigentlich zusammen genommen 40 Prozent der Stimmen erhalten. Die Muslimbrüder hätten diesmal nur noch 25 Prozent erhalten: damit seien sie dafür abgestraft worden, dass sie sich in der Zwischenzeit nicht im Geringsten für soziale Verbesserungen eingesetzt hatten…
Abdel-Samad sieht durchaus die besorgniserregende Parallele zum Iran, wo auch anfangs geglaubt wurde, dass die Islamisten sofort wieder gingen. Er ist jedoch der Meinung, dass es nirgends mehr islamkritische Menschen gebe als im Iran, weil sie erfahren hätten, dass die Utopie nicht funktioniere.
Niemand könne garantieren, dass aus Ägypten kein zweiter Iran werde. Aber man könne das fast ausschließen – aus folgendem Grund: Ägypten lebe hauptsächlich vom Tourismus, der 50 Prozent der wirtschaftlichen Einnahmen ausmache. Die Wirtschaft werde bald eine viel wichtigere Rolle spielen als Religion, denn Menschen könnten sich von der Scharia nicht ernähren… Verbote von Alkohol und Bikinis würden dem Tourismus massiv schaden, und das Land noch mehr verarmen lassen; die Menschen würden sich daraufhin dann wahrscheinlich auch von den Islamisten wieder befreien, was dann die erste wirkliche Chance für die Gemäßigten bedeuten würde…
Man schreibe zudem nicht mehr das Jahr 1979: Heute lebe die „Generation facebook“, die Leute hätten andere Vergleiche, Autoritäten seien nicht mehr so unantastbar wie früher. – Leider sei dies nur nicht der Fall für den Text des Propheten…
Hamed Abdel-Samad glaubt langfristig an Reform. Reformfähig sei das Denken der Menschen. Reformfähig sei die Art, alte Texte auszulegen, sie zu relativieren und sich damit im Ergebnis von ihnen zu distanzieren.
Es habe allerdings noch nie eine Religion gegeben, die sich von sich aus und von innen heraus reformiert habe.
Für die arabische Welt gebe es mehrere Szenarien – auch die Zutaten für echte Veränderung seien da.
Diskussion und ein Pakt
In der folgenden Diskussion meldete sich sofort und erregt ein Moslem mit Häkel-Mütze zu Wort: Er fühle sich von seinen Worten beleidigt! Und das Recht auf Kritik höre dort auf, wo andere beleidigt würden. Abdel-Samad habe offensichtlich das Selbstverständnis des Islam nicht begriffen, es sei nämlich folgendermaßen: Der Islam verstehe sich als Glaubenskomplex und sei geoffenbart. Dieser Komplex solle sich bewahrheiten. Der aufmerksame Zuhörer fragte sich in diesem Moment zwar, wo denn nun der Widerspruch zu verorten sei – da ging es aber auch schon weiter: Die Menschenrechte seien relativ! Muslime könnten keine E-Mail an Gott schreiben und müssten seine Gebote einfach akzeptieren.
Abdel-Samad entgegnete, dass Muslime sich in einem vertikalen Verhältnis zu Gott sähen. Sie selbst könnten das gerne und frei ausleben. Aber wenn sie in den öffentlichen Raum kämen, könnten sie anderen nicht verbieten, sich darüber lustig zu machen: „Der Betroffene muss mit seinen Gefühlen anders umgehen. Sie dürfen an einen Stein glauben, aber bewerfen sie mich nicht mit dem Stein!“
Und weiter: Wenn wir als Gesellschaft den Salafisten erlaubten, andere als Ungläubige zu bezeichnen, müsse man auch Pro Köln erlauben, Karikaturen zu zeigen. Die Grenze der Meinungsfreiheit sei erst dort zu ziehen, wo es um Gewalt oder Diffamierung gehe. Wenn er sage: „Mohammed ist kein Prophet gewesen, und er hat eine Religion der Gewalt geschaffen.“, solle darauf mit Argumenten geantwortet werden, aber nicht mit Wut. „Nur wer keine Argumente hat, wird wütend…“ Respekt verdiene man sich durch Argumente und Leistungen, nicht, indem man Respekt fordere, weil man ein Moslem sei: „Ich respektiere sie, aber nicht deswegen, weil sie Moslem sind, sondern weil sie ein Mensch sind!“
Mina Ahadi führte recht emotional aus, dass der Islam gegen Menschenrechte, gegen Frauenrechte sei. Er sei eine Bewegung. Er sei menschenfeindlich und aggressiv. Sie wolle hier eine „normale Frau“ aus einem muslimischen Land reden hören, und von ihr geschildert bekommen, was der Islam für ihr Leben bedeutet. Der Islam sei nicht gleichzusetzen mit anderen Religionen, er beinhalte die Todesstrafe, die Steinigung, etc… Mohammed habe eine 9-Jährige geheiratet…
Abdel-Samad entgegnete, dass der aggressive unerbittliche Islam im Iran nur ihre persönliche Erfahrung gewesen sei. Andere Frauen hätten vielleicht eine andere Geschichte – keine einzige Erzählung sei allgemeingültig. Mohammed sei nicht mehr für das Heiraten einer 9-Jährigen verklagbar: Damals hätten andere Regeln geherrscht, wie man ja in den 14 Jahrhunderte alten Texten nachlesen könne. Er schlage daher einen Pakt vor: Wir verurteilen Leute von damals nicht nach unseren heutigen Maßstäben, dafür sollen aber auch die 14 Jahrhunderte alten Texte nicht mehr unser heutiges Leben bestimmen: sie müssen relativiert werden.
Auf die Frage, ob ein „Islam light“ denn überhaupt möglich sei, zumal das Christentum ja auch trotz der Aufklärung immer noch gefährlich sei, Religionen Menschen trennten, sagte er, dass er an Menschen glaube, und daran, dass sie zu allem fähig seien. Er glaube nicht an die genetische Bedingtheit, wer z.B. Demokrat sei und wer nicht…
Was ihm Hoffnung mache: Vor 500 Jahren habe es die tolle Erfindung des Buchdrucks gegeben, die zur Folge hatte, dass das Wissen plötzlich nicht mehr durch die Kirche monopolisiert war. Das Osmanische Reich habe damals diese Erfindung abgelehnt, denn religiöse Gelehrte hätten Angst gehabt, dass der Koran verfälscht werden könne. Die ersten Druck-Platten waren somit tatsächlich nach Kairo z.B. erst 1798 mit Napoleon gekommen: Die islamische Welt hatte über 300 Jahre wichtige Prozesse verpasst. Nun sei aber das Internet in die arabische Welt gekommen, und diese Welle konnten die Gelehrten glücklicherweise nicht stoppen. Es gebe daher eine frische Entwicklung. Eines der beliebtesten Chat-Foren sei momentan eines, worin Araber mit Atheisten diskutierten.
Es werde nicht alles von heute auf morgen besser werden. Er kritisiere, weil er verändern wolle. Er wolle das kleine Licht der Veränderung unterstützen…
Nach dem Applaus und den natürlich noch lebhaft weitergehenden Einzel-Diskussionen war zu resümieren, dass es insgesamt sehr schön war, zu erleben, dass einmal eine wirkliche Öffentlichkeit in einer Veranstaltung der gbs Köln hergestellt werden konnte. Man kann hoffen, dass wirklich etwas in den Köpfen einiger, die noch nie etwas von rationaler religionskritischer Aufklärung gehört hatten, bewegt wurde.
Leider war jedoch auch zu beobachten, dass an den Stellen, wo Religion im allgemeinen kritisiert wurde, nur von relativ wenigen geklatscht wurde, was darauf schließen lässt, dass wohl doch viele Zuschauer nur der Islamkritik wegen gekommen waren.
Aber Aufklärung braucht bekanntlich einen langen Atem, und eine Menge „brennender Geduld“…