Lesung und Diskussion mit Arzu Toker
Freitag, 28. Oktober 2016
Was bedeutet „Ehre“ im Islam? Um wessen Ehre geht es? Arzu Toker setzt sich literarisch mit dem Verständnis von „Ehre“ auseinander.
Im ersten Teil des Buches beschreibt sie den tiefen Konflikt junger Migrantinnen in Deutschland, einerseits frei zu leben zu wollen und gleichzeitig den traditionellen Anforderungen der Herkunftsfamilien ausgeliefert zu sein.Toker stellt heraus, dass der Ehrbegriff vor allem das „Recht” des Mannes beschreibt, über die Wünsche und das Leben seiner Ehefrau und Töchter zu bestimmen.
Den zweiten Teil des Buches bildet der Text „Verschenkte Freiheit“. Darin klagt eine Mutter in Briefen voller Wut und Schmerz über den Verlust ihrer Tochter an eine islamische Sekte. Dem Leser wird schnell klar, dass es sich um die Fethullah-Gülen-Bewegung handelt. Dahinter steht der in den USA lebende türkische Imam Fethullah Gülen mit seinem Wirtschafts-, Bildungs- und Medienimperium, der auch in Deutschland strategisch missioniert und über ein Netz von Einrichtungen verfügt. Wie geht ein liberal gesinnter Mensch damit um, wenn das eigene Kind sich von der offenen Gesellschaft abwendet und sich längst überwunden geglaubten Geschlechterrollen unterwirft?
Tokers Texte sind leidenschaftliche Plädoyers gegen religiöse Gruppenidentitäten und patriarchale Herrschaftskultur. Für Selbstbestimmung und Freiheit: die Freiheit von religiösen Zumutungen und die Freiheit von nationalen Fesseln. Gegen die „Islamisierung der Migrantenpolitik“, die seit vielen Jahren vor allem von konservativen islamischen Verbänden betrieben und von der deutschen Politik weitestgehend unkritisch übernommen worden ist. Ein Plädoyer für Demokratie und eine Utopie zur Entwicklung gemeinsamer grenzüberschreitender Werte.
Arzu Toker lebt seit 1974 in Deutschland. Sie arbeitet als Journalistin, Schriftstellerin und Übersetzerin und hat zahlreiche Frauen- und Bildungsprojekte initiiert. 1985-1997 saß sie als „Ausländervertreterin“ im Rundfunkrat des WDR.